In den vielen Jahren als Unternehmer habe ich – was Lehrlingsbewerbungen angeht – schon sehr sehr viel erlebt. Nach meiner Beobachtung wird das „Angebot“ an qualifizierten Lehrlingen in den letzten vielen Jahren immer schlechter. Nebenbei: In meiner Laufbahn habe ich schon über 185 Lehrlinge ausgebildet und ich weiß, wovon ich rede.
An Bewerbungen ohne Bild, auch als das noch „erlaubt“ war, an Rechtschreibfehler, an falsche Anreden, Fettflecken auf der Bewerbung, Eselsohren und und und …. bin ich schon lange gewöhnt. Ebenso an die Tatsache, dass die Bewerber nicht lesen, schreiben und rechnen können, keine Ahnung von unserer Firma haben, unhöflich und desinteressiert sind. Gewöhnt bin ich auch daran, dass ca. 20-30% der zum Bewerbungsgespräch Eingeladenen – ohne Absage – einfach nicht kommen.
„Das ist wirklich nicht mehr steigerungsfähig“, dachte ich bisher. Aber weit gefehlt. Was ich nämlich im letzten Jahr (2009) erlebt habe, spottet jeder Beschreibung. Dies vor allem vor dem Hintergrund der Wirtschaftskrise und der sattsam bekannten Lehrstellenknappheit.
Von ca. 45 Bewerbungen habe ich 10 Bewerber/innen zum Vorstellungsgespräch schriftlich eingeladen. Dabei gebeten, den Termin telefonisch zu bestätigen. Drei Bewerber/innen haben sich nicht gemeldet, den Termin nicht bestätigt. Drei andere haben mitgeteilt, bereits eine Lehrstelle zu haben. Daraufhin wurden sechs „Nachrücker“ eingeladen. Alle 10 Bewerber haben schließlich den Termin zum Vorstellungsgespräch persönlich telefonisch bestätigt.
Nun fragen Sie sich vielleicht, wie viel Lehrlinge ich einstelle, wenn ich zehn Bewerber einlade. Ich stelle einen Lehrling ein – habe bereits sechs -, lade aber aus Erfahrung so viele Bewerber ein, weil ca 1/3 (meine Erfahrung) nicht zum Gespräch kommt und ich dann so trotzdem noch genügend Auswahl habe.
Am 27. Mai 2009 war der Tag der Vorstellungsgespräche, Uhrzeit 15 Uhr.
Von den 10 Bewerbern kamen fünf ohne Absage nicht zum Vorstellungsgespräch. Anders ausgedrückt: 50% der zum Vorstellungsgespräch eingeladenen Bewerber/innen, hatten offensichtlich kein Interesse an einer Lehrstelle. Das ist einfach unglaublich.
Alle Bewerber/innen habe ich einen Online-Azubitest machen lassen. Es war des erste Mal, dass ich einen Test machen ließ. Bisher habe ich einen Test vermieden, weil ich mir fast sicher war, danach gar niemanden als Lehrling mehr einstellen zu können. Bestanden hat man den Azubitest mit 51%.
Der Test weist auch einen Notenspiegel für die erreichte Prozentzahl aus:
- 81 – 100 % = sehr gut
- 71 – .80 % = gut
- 61 – .70 % = befriedigend
- 51 – .60 % = ausreichend
- 21 – .50 % = mangelhaft
- 0 – .20 % = ungenügend
Hier das Ergebnis des Azubitests meiner Bewerber:
- Bewerber 1……67% (befriedigend)
- Bewerber 2……47 % (mangelhaft)
- Bewerber 3……33 % (mangelhaft)
- Bewerber 4……33 % (mangelhaft)
- Bewerber 5……27 % (mangelhaft)
Das Ergebnis lasse ich einmal unkommentiert so stehen.
Wenn ich bisher im Freundes- und Bekanntenkreis erzählt habe, was ich mit Lehrlingsbewerbern so alles erlebt habe und erlebe, wurde ich immer ungläubig angeschaut, weil das niemand richtig fassen und glauben konnte. Dazu gehören natürlich auch die Bewerber, die nach Schweiß riechen, gekleidet sind, als würden sie auf den Bolzplatz gehen, beim Begrüßen sitzen bleiben, beim Gespräch mit auf die Hand aufgestütztem Kopf auf der Tischplatte liegen und und und …..
Eine Bewerberin, die um 15 Uhr nicht gekommen war, sprach am selben Abend, um ca. 19 Uhr, wortwörtlich folgendes auf unseren Anrufbeantworter:
„Hallo, hier ist Jenny. Ich konnte heute nicht zum Bewerbungsgespräch kommen, da ich mich die ganze Nacht übergeben habe. Tschüss!“ Hier ist der Anruf im Original zu hören.
Gut, in der Nacht hat sie sich übergeben, aber was hat sie am Tag gemacht??? Gemeldet hat sie sich auch nie mehr. Das ist doch mehr als ohne Worte!!! Und es wird von Jahr zu Jahr schlimmer!