Malermeister = temporärer Sozialpartner und Zuhörer

Heute Mittag war ich bei einem älteren Herrn, 75 Jahre alt. Renoviert werden sollen Wohnzimmer, Flur und Küche. Bis zuletzt hat er immer alles selbst gemacht. Aus gesundheitlichen Gründen kann er das jetzt aber nicht mehr.

„Schon länger wollte ich Sie anrufen. Ihre Anzeige habe ich mir dafür extra aus der Zeitung ausgeschnitten“, erzählte er mir. Vor ihm, auf dem Küchentisch, lag die ausgeschnittene Zeitungsanzeige.

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Die ausgeschnittene Zeitungsanzeige, auf dem Küchentisch

Er bat mich Platz zu nehmen und wir kamen ins Gespräch. Mein Part beschränkte sich dabei so ziemlich auf aktives Zuhören. Dazwischen Bemerkungen meinerseits, wie „Das verstehe ich“,  „Das ist aber schlecht“, „So ist es halt“, „Ja, ja..“ etc.

Seine Geschichte, die er mir erzählte: Er wohnt im eigenen 2,5-Familienhaus. 1960 baute er das Haus komplett selbst. Grube ausgegraben, Wände gemauert, Fenster und Türen eingebaut, Dachstuhl erstellt usw. Alles mit seiner eigenen Hände Arbeit. Darauf ist er sehr stolz.

Seine Frau verstarb vor einigen Jahren. Im Haus wohnt sein Sohn, dem er vor einiger Zeit zwei Etagen überschrieben hat. Der alte Herr wohnt im Erdgeschoss. Als er mir das so alles erzählt, wird seine Stimme ganz leise, so dass niemand mit hören kann.

Mit Tränen in den Augen berichtete er mir, von den Mobbingaktionen seines Sohnes, seiner Schwiegertochter und deren Eltern. Gerade hätte er wieder einen Brief mit unmöglichen Anschuldigungen erhalten.

Sein Sohn wolle ihn aus dem Haus haben, aus seinem eigenen Haus! Traurig und zornig ist er deswegen. Und sein Sohn sei undankbar für das Immobiliengeschenk, das er ihm gemacht hat, sondern wolle ihn aus dem Haus treiben.

Niedergeschlagen, traurig und ärgerlich, erzählte er mir seine Geschichte. Nach ca. 25 Minuten musste ich aufbrechen und zum nächsten Termin.

Es hat dem älteren Herrn aber gut getan, mir sein Herz auszuschütten. Freundlich und etwas erleichtert, verabschiedete er mich.

Auch das „soziale“ Zuhören gehört zu meinem Beruf. Es macht mir Freude, den Menschen, soweit mir möglich, Zeit zu schenken und Ihnen zuzuhören. Es tut ihnen gut!

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